Dioxin in Eiern, Schweinen, Hühnern und Puten – welches Lebensmittel aus Industrieproduktion ist eigentlich nicht mit irgendwelchen Stoffen belastet, die nun gar nicht in Lebensmittel gehören? Es handelt sich hier nicht um ein Problem der Lebensmittelindustrie, es ist ein Gesellschaftsproblem. Die Gier nach noch mehr Profit macht unser Leben kaputt.
Als am 12. April 1981 das erste Space Shuttle in den Umlauf geschossen wurde, fragte man den Kommandanten John Young, wie er sich denn so fühle. Dieser antwortete mit einer Gegenfrage, die so eigentlich niemand hören wollte: Wie würden Sie sich fühlen, wenn sie in einem Fahrzeug ins Weltall geschossen werden, von dem Sie wissen, dass nur die billigsten Teile eingebaut worden sind, die man kriegen konnte? John Young hat damit Kritik geübt an einer neuen Philosophie in der amerikanischen Raumfahrt, die allerdings in der allgemeinen Wirtschaft schon wesentlich länger angewendet wird:
Man produziert nicht mehr so gut wie möglich, sondern so billig wie möglich.
Der neue Gott, das Geld, bestimmt über unser Streben und unser Leben. Die Menschen machen mit. Geiz ist geil ist das Kriterium, das bei Kaufentscheidungen die größte Rolle spielt. Überall – nicht nur im Technomarkt. Die Folgen sind Umweltzerstörung und verseuchte Lebensmittel. Auch die Finanzkrise hat ihre Ursachen in der Gier nach immer größerem Profit ohne Rücksicht auf Nachhaltigkeit oder „Kollateralschäden“. Das Gewissen wird lässig jeder Aussicht auf Profit ohne Mühe geopfert.
Dioxin ist ein sehr gefährliches Gift, das leider bei einigen Prozessen anfällt und nur sehr teuer zu entsorgen ist. Aber es kann sogar umweltverträglich anständig entsorgt werden. Wiederum verhindert die Gier nach Profit, dass das so stattfindet. Man kann eine Menge Geld sparen, wenn man Dioxin einfach breit verteilt, wenn man es solange verdünnt, bis (zweifelhafte) Grenzwerte nicht mehr überschritten werden. Dennoch bleibt es Dioxin, bringt Menschen um und gehört definitiv nicht in Lebensmittel – egal in welcher Konzentration.
Der Mensch besteht nur aus dem, was er isst und der Luft, die er atmet. Immissionsschutzgesetze (Nichtraucherschutz) sollen dafür sorgen, dass die Luft nicht zu sehr verseucht ist. In diesem Fall ist es unmöglich hundert Prozent reine Luft zu fordern. Allein das natürliche Bedürfnis nach Fortbewegung (Autos) und einer warmen Behausung verhindern das. Bei Lebensmitteln sollte das anders sein, aber hier ist es einfacher, schädliche Stoffe zu verstecken. Also werden Tiere artfremd ernährt und nur ab und zu gibt es einen Skandal, wenn wieder einmal jemand übertrieben hat. All das widerspricht humanistischen Grundgedanken.
Natürlich ist es richtig, wenn fortlaufend versucht wird, Produktionsprozesse so optimal wie möglich zu entwickeln, um kostengünstig produzieren zu können. Der Fehler im System ist aber dann da, wenn die kostengünstige Produktion zum alleinigen Ziel wird. Oder noch schlimmer, wenn aus Profitgier Güter hergestellt werden, die nach einer bestimmten Zeit kaputtgehen müssen, um den Konsumenten zum Neukauf zu zwingen. Wenn jede Nachhaltigkeit dem kurzfristigen Profit untergeordnet wird.
John Ruskin, ein englischer Sozialreformer, hat im ausgehenden 19. Jahrhundert folgendes festgestellt:
Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgend jemand ein wenig schlechter und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften.
Es ist unklug, zu viel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen.
Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.
Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten.
Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das Risiko, das Sie eingehen etwas hinzurechnen.
Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres zu bezahlen.
Diese Aussage hat universelle Gültigkeit. John Ruskin hat sie getroffen, weil er erkannt hat, dass die angelsächsische Geschäftsphilosophie für eine positive Entwicklung der Menschheit untauglich ist. Er hat das zu einer Zeit gesagt, als genau deswegen die englischen Produkte auf den Märkten nicht mehr konkurrenzfähig waren und die Engländer vom Kauf fremder, besserer Waren abgehalten werden sollten. „Made in Germany“ wurde auf Produkte aus Deutschland gedruckt, um vom Kauf abzuschrecken. Das Gegenteil wurde erreicht, weil in Deutschland damals noch nach der humanistischen Grundidee „so gut wie möglich“ produziert wurde.
Mit dem Ersten Weltkrieg und restlos mit dem Zweiten sind die humanistischen Ideale untergegangen. Damit hat das British Empire, England erreicht, dass sich die ganze Welt ihren (turbo-)kapitalistischen Prinzipien untergeordnet hat. Deutschland, mit Frankreich das Mutterland humanistischer Ideen war zum „Hort des Bösen“ stilisiert und fortan konnte nichts mehr gut sein, das seine Wurzeln im deutschen Sprachraum hat. Auch nicht der Humanismus, der der wahre Feind des Kapitalismus ist. Der Sozialismus ist es nämlich nicht. Dieser stammt ursprünglich auch aus England und hat denselben Fehler wie der Kapitalismus: Er stellt Menschen feindlich gegen Menschen, anstatt gemeinsames Wohlleben anzustreben, wie es der Humanismus wünscht.
Mit hässlicher Regelmäßigkeit müssen wir erleben, wie ein Lebensmittelskandal dem nächsten folgt. Solange wir nicht erkennen, dass eine Wirtschaftsordnung nach angelsächsisch kapitalistischen Vorgaben nicht zu humanen Zuständen führen kann, wird sich das nicht ändern. Auch Krieg, Hunger und Elend auf der Welt werden nicht zu überwinden sein. Die Menschheit muss erkennen, wer tatsächlich aus Macht- und Gewinnsucht und um die eigene Unfähigkeit zu verstecken die Welt in die Katastrophen des 20. Jahrhunderts gelenkt hat.
Wer sich eine Welt wünscht, die Sicherheit und Zuverlässigkeit bietet, anstatt andauernd nach dem billigsten Schnäppchen jagen zu müssen, der muss weit in der Vergangenheit ansetzen. Er muss anknüpfen an die Ideen und Ideale, die von Deutschland ausgehend vor hundert Jahren die Welt in eine humane Zukunft führen wollten, die aber die Macht des British Empire und seiner Nachfolger minimiert hätten.
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